Sonntag, 8. Mai 2016

Warum Manga international so beliebt sind


Wie ihr sicherlich wisst, beschäftige ich mich schon seit einigen Jahren mit Manga und Anime und zwar auch aus einer etwas sachlichen Ebene. Daraus sind bereits viele Texte über Themen entstanden, die zur Diskussion einladen. Ich mag es nicht nur generell über bestimmte Manga oder Anime zu berichten, diese für euch zu rezensieren, sondern japanische Populärkultur aus einer allgemeinen Perspektive, man könnte auch Meta-Ebene dazu sagen, zu untersuchen. Daraus resultierte dann der Gedanke, nicht nur Blogposts darüber zu verfassen, sondern meine Kenntnisse auch in eine Art Buchformat zu veröffentlichen. Seit 1-2 Monaten arbeite ich bereits daran, habe sehr viel Forschungsliteratur aus dem Bereich Mangaforschung zusammen getragen, untersucht und werde auf Grundlage dessen meine eigenen Forschungen anstellen. Will ja nicht bloß die Kenntnisse wieder käuen, die andere bereits ausgegraben haben, auch wenn das schon nicht unüblich in der Wissenschaft ist.


Im Zuge meines Buchprojekts bin ich auf sehr interessante Fragestellungen, Gedanken und Themen gestoßen, die ich gerne auch auf meinem Blog mit euch diskutieren möchte.

Den Anfang macht die Frage, warum Manga mittlerweile so beliebt geworden sind, obwohl sie von Anfang an und vor allem noch immer nur für die japanische Kultur kreiert worden. Ich habe während meiner Recherchen heraus gefunden, dass sich sämtliche Mangaka und Autoren nicht mal bewusst sind, dass sie typisch japanische Dinge, die man behaupten oder bestreiten kann, in ihre Werke einfließen lassen. Sie tun es zum Großteil unbewusst und betonen immer, dass sie Manga nur für Japaner konzipieren und überhaupt nicht an mögliche internationale Leser denken. Und dennoch kann man nicht leugnen, dass Manga, obwohl anfangs noch Nischenprodukt und wahrscheinlich noch immer, mittlerweile in der ganzen Welt so bekannt geworden ist, dass es sämtliche amerikanische oder europäische Comics in den Schatten stellt. Nun frage ich mich, wie man diesen Widerspruch lösen kann, dass einerseits das Medium Manga doch nicht international ausgerichtet und dennoch weltweit anerkannt und berühmt ist?

Das soll die Fragestellung im heutigen Beitrag sein und ich werde mal mögliche Gründe anbringen, warum Manga als Medium so beliebt ist. Dabei werde ich mich auf Kenntnisse der Forschungsliteratur, die ich bereits recherchiert habe, stützen, aber natürlich auch eigene Ansichten vortragen.


Multimediales Medium aus Bild und Sprache


Als erstes möchte ich anbringen, dass Manga nicht unbedingt ein eigenständiges Medium darstellen. In einem ähnlichen Beitrag habe ich mich bereits mit einem Vergleich japanischer und westlicher Comics befasst und habe einige Gemeinsamkeiten heraus gestellt. Manga kann als eine Unterform des Comics betrachtet werden, das kann man nicht bestreiten. Beide arbeiten mit zwei verschiedenen Zeichensystemen, einerseits mit Bildern sowie auch mit Sprache und man kann nicht sagen, dass das eine wichtiger als das andere ist. Beide stehen in einem wechselseitigen Verhältnis, charakterisieren sich gegenseitig und würden allein nicht funktionieren. Wobei in der Forschung immer wieder betont wird, dass die Bilder eher dominieren, was teilweise stimmt. Hier wären wir auch bei einem Unterschied zu den westlichen Comics, die deutlich mehr Text umfassen. Die „Mainstream“-Manga so will ich sie mal bezeichnen, zeigen viel weniger Text, haben dafür einen höheren Anteil an Bildelementen, die auch für sich stehen können. Worauf ich hinaus möchte ist, dass Medien, die sowohl mit Bildern wie auch Text arbeiten, generell bevorzugt konsumiert werden, vor allem was Unterhaltung betrifft. Während beim Lesen von Büchern deutlich mehr Anstrengung von Nöten ist, man eher linear liest und dadurch eingeschränkt wird, ist man beim Lesen von Comics oder auch Manga weniger in seiner Freiheit beschnitten. Sicher muss man eine gewisse Reihenfolge beachten, doch der Blick kann zwischen den Bildern umher schweifen, man kann den Text, wenn man nicht so die Zeit hat auch weglassen und sich das Geschehen durch die Bilder erschließen. Für Lesefaule sind Manga ideal, weil sie eben im Vergleich zu westlichen Comics deutlich weniger zum Lesen bieten und daher auch das Abschalten fördern. Nicht ganz so krass wie etwa beim Fernsehen, aber schon in die Richtung, wobei ich nicht behaupten will, dass Manga lesen sehr passiv ist. Im Gegenteil, man muss beim Lesen ebenso kognitive Arbeit leisten, die einzelnen Bilder (Panels) zusammen führen, was man auch Synthese bezeichnet. Ich denke aber mal, dass das weniger kognitive Leistung erfordert, wie es beim Lesen von Romanen der Fall wäre, weil einem das Vorstellen durch die Manga abgenommen wird.

Jedenfalls denke ich, dass Manga als besondere Comicform den Bedürfnissen von Menschen sehr viel näher kommt als beispielsweise nur das Lesen von Büchern, weil eben die Bilder dominieren. Sicherlich wisst ihr, dass der Mensch sich am meisten auf seine Augen und das Sehen verlässt, das ist unsere primäre Wahrnehmungsquelle. Der Großteil der Informationen, die wir aufnehmen, geschieht doch über die Augen, wir sind also visuell besonders empfänglich für Reize. Nun behaupte ich also, dass Manga daher so ansprechend sind, weil sie vor allem etwas fürs Auge bieten. Weniger Text, was man noch mal zusätzlich verarbeiten muss, dafür mehr fürs Auge. Die Bilder bieten Informationen in komprimierter Form, wo man nicht mehr so viel nachdenken muss, es lässt sich generell leichter kodieren. Das ist bei Comics generell so, doch bei Manga eben verstärkt. Weil hier das Abschalten leichter ist, werden Manga demnach auch lieber konsumiert, aber das ist eben nur eine der Gründe, warum japanische Comic so beliebt sind.


Schnelleres Lesen

Das bringt mich direkt zum nächsten Punkt, nämlich zur besseren Rezeption. Darüber habe ich bereits beim ersten Punkt einiges erklärt und werde hier nur noch einige Dinge hinzufügen. Die schnellere Rezeption beruht nicht nur darauf, dass in Manga der Bildanteil dominiert, sondern dass diese auch noch so vereinfacht sind, dass sich nur auf das Wesentliche konzentriert wird. Vergleicht mal die Figuren aus westlichen Comics mit denen aus japanischen und ihr seht was ich meine. Westliche Figuren sind eher an die Wirklichkeit angelehnt, individueller gezeichnet und bieten viel mehr Details vor allem, was die Hintergründe betrifft. Schaut man sich dagegen die japanischen Durchschnittscomics an, sieht man, dass die Figuren doch alle recht gleich aussehen, was ein spezielles Merkmal des Mediums ist. Möglichst alle Figuren gleich aussehen lassen, aber ein und dieselbe Figur darf nur einmal vorkommen, was sich nach einem krassen Widerspruch anhört, aber ihr wisst sicherlich was ich damit meine.

Einheitlichkeit im Figurendesign und vor allem bei dem Shojo-Genre wenig oder vereinfacht bis gestaltete Hintergründe ermöglichen die schnellere Aufnahme von Informationen, wodurch der Lesefluss enorm gesteigert wird. Darüber hinaus ist auch die Panelaufteilung in Manga nicht so strikt linear wie in westlichen Comics, das Auge wird nicht gelenkt, sondern kann sich frei bewegen und das aussuchen, was es zum Verständnis braucht. Die Hintergründe sind teilweise wirklich so leer, damit man sich nicht von kleinen Details ablenken lässt (oder die Zeichner einfach keine Lust hatten, diese auszufüllen), sodass man sich wirklich nur auf das Geschehen und die Figuren konzentriert. Hinzu kommt natürlich auch die Reduktion der Textanteile, Manga lebt von Bildern, die für sich selbst sprechen können, wie ich bereits erwähnt habe. Das alles bewirkt ein viel schnelleres und einfaches Konsumieren von Manga, dadurch spart man Zeit, man kann sie zwischendurch zur Unterhaltung lesen und muss sie nicht mal sorgfältig begutachten, oberflächliches Lesen bietet sich bei Manga regelrecht an. Eine der Gründe, warum sie die westlichen Comics um Längen schlagen, aber eben auch Bücher.


Genres, Themenvielfalt, Orientierung an Zielgruppen


Der nächste Punkt vereinfacht drei wichtige Aspekte die für die Beliebtheit von Manga sprechen und sie für ein Massenmedium gerade zu prädestinieren. Diese drei Dinge hängen eng zusammen, weswegen ich sie auch gleichzeitig behandeln möchte. Fragt man danach, warum japanische Comics auch außerhalb von ihrem Herkunftsland so gerne gelesen werden, werden diese drei Punkte immer wieder erwähnt.

Auch in meinem Beitrag zum Vergleich japanischer Comics mit westlichen habe ich geschrieben, dass erstere einfach viel mehr Genres zu bieten haben als übliche Comics. Zu fast jedem Thema gibt es einen Manga, ob es nun die heterosexuelle, homosexuelle Liebe oder auch Sexualität betrifft, Dramatik oder Mystery, Sport oder Action, auch für Komik und Ernsthaftigkeit wird gesorgt. Wir haben es hier mit einer so riesigen Bandbreite an verschiedenen Genres zu tun, sodass einfach für jeden Geschmack etwas dabei ist. Ob man sich nun für Krimis, Horrorgeschichten, Sci-Fi oder auch für belanglose Dinge (a la Slice of Life) interessiert, für jeden ist da etwas dabei. Und ich will behaupten, dass es so eine Vielfalt in keinem anderen Medium gibt, sei es Film, westliche Comics oder auch Romane. Hinzu kommen dann auch noch wirklich spezifisch japanische Genres, die noch zusätzliche Interessen erfüllen dürften: an dieser Stelle nennen ich beispielsweise Yaoi, Yuri, Mecha, Ecchi, Harem usw.


Hinzu kommt, dass sich Manga sehr stark an ihre Zielgruppen orientieren. Besonders in Japan hat sich diese enorme Differenzierung etabliert, wie man es schon an den einzelnen Mangazeitschriften sehen kann. Für jede demographische Gruppe gibt es spezielle Magazine, in denen nur dazu gehörige Mangaserien erscheinen. Es gibt für kleinen Manga aus Genre „Kodomo“, für die jungen Mädchen und Jungs gibt es Shojo und Shonen, auch für junge Erwachsene ist mit den Genres Josei und Seinen gesorgt und auch ältere Leute und richtige Erwachsene werden bei den japanischen Werken fündig. Wem Mainstream-Manga zu einfach sind, dem seien „Gegika“ans Herz zu legen, Manga an erwachsenes Publikum, die viel anspruchsvoller sind und sozialkritische Themen behandeln. Die demographischen Kategorien, die man auch gerne mit Genres gleich setzt, zielen also immer auf Leser unterschiedlichen Alters ab und führen dazu, dass man sich einfach besser orientieren kann und wirklich nur das liest, was einen auch anspricht. Eine so saubere Trennung sorgt einfach für mehr Ordnung und kommt Menschen einfach entgegen.

Natürlich bedient ein Werk nicht nur ein Genre oder eine Kategorie, mittlerweile verschwimmen die Grenzen immer mehr, doch an der grundlegenden Struktur wird sich so schnell nichts ändern. Interesant in dem Zusammenhang ist ja auch, dass besonders auf dem japanischen Mangamarkt die Leserschaft wie Könige behandelt werden. In den Zeitschriften finden regelmäßig Umfragen statt, in denen sich die Leser für ihren Lieblingsserien entscheiden können und je nachdem wie populär eine Serie ist, wird sie entweder weiter behalten oder heraus genommen und durch eine bessere Serie ersetzt. So einen Wettbewerb haben wir auf dem deutschen Mangamarkt nicht. Klar versucht man sich auch an die Bedürfnisse der deutschen Fans anzupassen, aber so stark ist es dann noch nicht.

Aus der Bandbreite an Genres wie auch Zielgruppen-Kategorien resultiert auch ein sehr breites Themenspektrum, was eben den Genres geschuldet ist. Dabei wird wirklich jede absolut absurde Idee genommen und für einen Manga umgesetzt. Wir haben genug Geschichten, die einfach nur zum Schreien komisch wirken und bei denen man sich immer wieder fragt, was die Mangaka genommen haben, um so etwas zu fabrizieren, doch das soll ein seperater Punkt in diesem Text darstellen.


Identifikation durch eingängige Figuren und besondere erzählerische Mittel


Mein nächster Punkt nimmt den Aspekt der engen Leserbindung auf und befasst sich mit der Gestaltung der Figuren. Diesmal soll es jedoch um die Persönlichkeiten sowie auch die narrative Umsetzung in Manga gehen. Wie ihr sicherlich wisst, erscheinen in fast jedem Werk die gleichen Figuren. Wir haben immer eine Tsundere dabei, eine schweigsame Figur, eine tollpatschige, eine, die man zu nichts gebrauchen kann, eine ganz coole, eine super niedliche...ich könnte die Liste unendlich fortsetzen. Es scheiden sich die Geister darüber, ob man so etwas toll oder einfach nur mies findet, da hat jeder seine Meinung darüber. Doch habt ihr euch mal gefragt, warum solche Stereotype überhaupt auftauchen? Wäre es nicht besser eher glaubwürdigere, authentische Figuren zu nehmen, weil dann einfach alles viel realer wirken würde?

Die Wahrheit ist aber, dass Leser eben Manga nicht lesen wollen, weil sie ihre Realität darin widergespiegelt haben wollen. Wir lesen solche fiktionalen Dinge zur Unterhaltung, weil wir von der Realität abgelenkt werden wollen, würde ich einfach mal in den Raum werfen. Ob das stimmt oder nicht, muss jeder für sich beantworten. Doch mal im ernst, solche sehr klug ausgearbeiteten Figuren gibt es doch nur selten, stattdessen haben die meisten Mangafiguren kaum Tiefe und Einzigartigkeit. Es kommt nur darauf an, dass dem Leser das geboten wird, was er will und er will eben keine undurchsichtigen, komplexen, widersprüchlichen Figuren haben, sondern solche mit denen er sich identifizieren kann. Solche, denen er auch Sympathie bringen kann. Und das funktioniert eben am besten, wenn sie möglichst nur wenige Charaktereigenschaften haben, idealisiert dargestellt werden (es gibt entweder nur die Guten oder die Schlechten), damit man eben eine Bindung zu ihnen aufbauen kann. Einige kritische Stimmen würden entgegen halten, dass man zu solchen unrealistischen Figuren keine Beziehung herstellen kann, ich sehe da auch ein Stück Wahrheit.

In den Figuren erkenne ich zum einen viel bessere potenzielle Identifikationsträger, weil sie eben so einfach und liebenswürdig gestrickt sind. Sie sind so angelegt, dass für jeden Geschmack etwas dabei ist, weswegen sie auch so stereotyp auf uns wirken. Zum anderen bietet uns das auch die Möglichkeit weit weg von der Realität zu kommen. Würden die Figuren sich nämlich wie echte Menschen verhalten, ergäbe das Lesen auch keinen Sinn. Unterhaltung wäre eindeutig reduziert. Die Figuren schreien uns förmlich ins Gesicht, dass sie nicht echt sind und auch nicht für menschlich gehalten werden wollen. Dadurch trennen wir sie viel leichter von der Realität und driften umso besser in die fiktionale Welt.

Euch ist sicherlich aufgefallen, dass die Figuren immer so süß aussehen und sich auch so verhalten. Manche nervt es, mich insbesondere, aber auch das hat eben einen triftigen Grund: sie wollen geliebt werden, sie wollen dem Leser gefallen, zumindest in den Mainstream-Manga.


Das so weit zu den inneren Merkmalen von Figuren in japanischen Comics. Damit wir aber so richtig in die Mangawelten eintauchen können, werden bestimmte Strategien in der Erzählung verwendet. So ist der Comicexperte Scott McCloud bei einem Vergleich amerikanischer und japanischer Comics auf die Erkenntnis gestoßen, dass Manga andere Übergänge zwischen den Panels bevorzugen. Während in westlichen Comics die Handlung immer weiter voran schreitet, weswegen Übergänge zwischen Aktionen dominieren, werden in Manga Übergänge „von Gesichtspunkt zu Gesichtspunkt“ häufiger verwendet. Was ich damit meine? Gemeint ist, dass es Übergänge gibt, die das Geschehen verlangsamt darstellen. Es sind welche, in denen die Story kaum voran kommt, sondern eher verschiedene Blickwinkel auf ein und dieselbe Aktion ermöglicht wird. Dadurch bleibt die Handlung in der Schwebe und wir können uns beispielsweise mehr in das Geschehen einfinden. Auch subjektive Bewegungslinien, die uns dazu verleiten, uns direkt in das Geschehen einzufühlen, bewirken eine stärkere Immersion (= also Einfühlen in das Geschehen), was bspw. bei westlichen Comics weniger der Fall ist.

Besonders interessant finde ich, dass beim Shojo-Genre die Emotionalität ebenso zu besondere Stilmittel verstärkt wird. Wer von euch schon mal ein Werk gelesen hat, dem wird aufgefallen sein, dass viele Bilder recht leer wirken, dass die Hintergründe kaum bis gar nicht vorhanden sind und dadurch der Fokus mehr auf den Gesichtern liegt. Zum anderen wird man feststellen, dass eigentlich in einem Band fast gar nicht passiert, würde man es mit einem Shonen Manga vergleichen. Eben weil Bilder dominieren, die nur Gesichtspunkte oder Momente darstellen, wodurch sozusagen die Zeit vorübergehend außer Kraft gesetzt wurde, um den Moment und die Gefühle der Figuren besser einfangen zu können. Die sogenannten „leeren Bilder“ in solchen Manga bewirken, dass wir uns besser in die Figuren hinein fühlen können. Die Bilder sind nicht einfach nur Ausschmückungen, sondern dienen als Spiegel der inneren Vorgänge der Protagonisten oder zeigen auch Beziehungen oder die Atmosphäre an.


Ästhetik in Manga


Darüber hinaus und auch dem Leser zuträglich ist der Zeichenstil in japanischen Comics. Die meisten Mangaka bemühen sich doch um ästhetisch schöne Figuren. Die Proportionen sind zwar extrem überzogenen, könnten aber auch eine Art Ideal darstellen. Die Figuren sehen aufgrund ihrer Größe und ihres Umfangs fast wie Models aussehen. Etwas komisch wirken dann die überproportional aussehenden Köpfe mit denen kleinen Nasen, den kleinen Mündern und den tellergroßen Augen. Die Mädchen und Frauen sehen meist auch schlank aus, sehr süß oder schön, mit großen Brüsten, Jungs und Männer sind meist muskulös. Nicht zu vergessen haben wir auch Bishojo und Bishonen, die die Ideale noch mal mehr betonen. Aber eigentlich sehen so gut wie alle Figuren schön aus, auch wenn angeblich Unterschiede erwähnt werden. Sie alle entsprechen gewissen Schönheitsidealen, die nicht nur in Japan, sondern weltweit gelten dürften. Man sieht kaum mal entstellte oder dicke Figuren, Figuren mit Mängeln sind eindeutig in der Unterzahl.

Darüber hinaus sehen die Figuren in Manga fast alle gleich aus. Vergleicht man nun die Optik von westlichen Comics mit japanischen fällt eben auch auf, dass Individualität bei Manga eine Seltenheit ist. Sicher möchte ich als positives Kriterium erwähnen, dass es auch bei den japanischen Werken sehr viele unterschiedliche Zeichenstile gibt, die sich deutlich voneinander unterscheiden, sodass Leser realistischen Designs wie auch überzeichneten auf ihre Kosten kommen. Und doch fällt auf, dass besonders bei Manga alle Figuren einheitlich aussehen. Wie gesagt findet man besonders bei Manga das sogenannte Kindchenschema, was wiederum noch einen zusätzlichen Niedlichkeitsfaktor zusammen mit den Persönlichkeiten der Figuren mit sich bringt. Die Figuren wecken dadurch noch mehr Sympathie und eine stärkere Bindung zu ihnen wird möglich. Zwar mögen die Zeichenstile von Mangaka nicht so ausgefeilt und detailliert sein, wie die von westlichen Comiczeichnern, dafür punkten sie umso mehr durch ästhetisch ansprechende, wenn auch hochstilisierte Figuren, die auf jeden Fall dem Auge schmeicheln. Schönen Bildern ist doch jeder angetan oder? Kein Wunder, dass die Optik bei Manga so entscheidend ist, ob wir ein Werk lesen oder nicht. Wo wir übrigens wieder bei dem Aspekt sind, dass Menschen vor allem visuell orientierte Wesen sind und daher eben die Optik ein wichtiger Faktor bleibt.


Japanisch spezifische Aspekte für das Exotische

Der Einfluss der Herkunft ist einfach nicht übersehen, was für mich ebenso ein wichtiger Grund ist, warum Manga so beliebt sind. Zwar haben sie durchaus sehr viel Universelles, worauf ich danach noch mal zurück kommen will, aber den Reiz der Manga macht doch besonders ihr exotischer Charakter aus nicht wahr? Besonders für amerikanische und europäische Fans üben Manga eine unglaubliche Anziehungskraft aus. Hinsichtlich der Tatsache, dass wir vor allem eine Unterhaltung jenseits der Realität suchen, eignen sich Manga besonders an. Wir können in eine fremde Welt eintauchen, eine neue Kultur entdecken, wenn auch vieles fiktional ist, beruhen viele Elemente eben doch aus der Wirklichkeit. Viele Wissenschaftler haben sich bereits mit japanisch spezifischen Eigenschaften in Manga befasst und ich möchte hier einige an der Stelle erwähnen.

Zum einen wären da natürlich der Niedlichkeitsfaktor für den das Land Japan einfach Paradebeispiel ist. Ich weiß nicht woran es liegt und habe daher auch keine Erklärung für dieses Phänomen, aber besonders Manga stehen stellvertretend für den Niedlichkeitskult Japans. Alle Figuren haben irgendwo etwas Niedliches durch ihr Design.


Zum anderen finden wir ein Genre, das man sonst nirgendwo findet: das Mecha-Genre. Sicherlich Technik und Roboter gibt es auch in Filmen wie Büchern besonders im Zusammenhang mit Science Fiction, doch es ist mir bisher nicht bekannt, dass es auch ein eigenständiges Genre gibt, in denen Figuren sich in übergroße Roboter setzen um dann im Universum oder sonst wo gegen andere Parteien oder Außerirdische zu kämpfen und die Welt zu retten. Interessant fand ich hierbei den möglichen kulturellen Hintergrund, weil Japan ja doch ein sehr modernisiertes Land ist, was vor allem in Sachen Technologien sehr weit vorne mitspielt. Das wird also sozusagen auch mit dem Genre deutlich gemacht. Japaner sind fasziniert von Innovationen und technischen Erfindungen und da erstaunt es nicht, dass sich dafür auch ein eigenes Genre etabliert hat.

Oder auch das Thema Endzeit-Szenario oder Apokalypse finden wir in sehr vielen bekannten Manga wie z.B. Attack on Titan, Psycho Pass, Ergo Proxy, Ghost in the Shell, Cowboy Bebop, Guilty Crown etc. Warum sind Japaner so begeistert davon? Ich nehme mal an, dass es Spuren der Geschichte sind, die sich hier abzeichnen. Vordergründig denke ich an den Zweiten Weltkrieg und vor allem auch den Bombeneinsätzen in Nagasaki und Hiroshima und welche verheerenden Folgen das für Bevölkerung hatte. Die Verarbeitung dieser problematischen Erinnerungen finden also sogar Eingang in populären Medien wie Manga und Anime.


Dass ein Stück Religion und Geschichte in Manga steckt sehen wir auch in den Monstern, die immer wieder auftauchen. Meist handelt es sich wirklich um japanisch spezifische Monster wie Yokai, Tengu, Oni, Kappa und auch Geister, die unsere Helden heimsuchen. Bekannte Beispiel, die sich mit Yokai auseinander setzen gibt es unzählige wie Mushishi, Mononoke, sowie Prinzessin Mononoke, die Abenteuer von Natsume, Inuyasha usw. Euch fallen bestimmt noch einige mehr ein. Der Glaube an diese übernatürlichen Wesen hat sich sehr lange in der japanischen Bevölkerung gehalten, was mich sehr gewundert hatte. Fakt ist jedoch, dass in westlichen Comics übernatürliche Wesen dieser Art so gut wie nicht auftauchen und wenn dann sind sie höchstens an westliche Götter oder Fabelwesen angelehnt, während man diese in japanischen Comics vergeblich sucht. Pokemon wie auch Digimon und aktuell Yokai Watch sind sicherlich auch daran beteiligt, dass Manga um die Jahrtausendwende so populär in der Welt geworden sind und es auch immer bleiben werden. Meist auch gepaart mit dem Aspekt der Niedlichkeit steht ihrem Siegeszug nichts entgegen.

Interessant fand ich auch, dass es das Genre Magical Girl nicht in westlichen Comics oder anderen Medien gibt. Dafür dominieren eher die Superhelden, die wiederum in Japan kaum Beliebtheit erfahren. Warum aber gerade Mädchen mit übernatürlichen Kräften? Ich nehme an, dass es wieder mit dem Bedürfnis nach Niedlichkeit zusammen hängt und weniger die Coolness von Superhelden.


Universelle Bildsprache und Emotionalität



Würden Manga nun aber nur japanisch sein, was ja eigentlich der Fall ist, bedenkt man, dass viele Mangaka ihre Werke nur für japanische Leser machen, würden sie bestimmt nicht so beliebt sein, wie es nun mal der Fall ist. Das Geheimrezept von Manga ist gerade die Balance zwischen japanisch spezifisch kulturellen Aspekten sowie universellen Elementen. Das fängt bei den Figuren an, von denen man behauptet, sie würden absolut nicht japanisch aussehen, sondern sich an westlichen Idealen anlehnen (bunte Haare, große Augen etc.) Ob dem zuzustimmen ist, bleibt offen. Ich sehe aber eine gewisse Tendenz zur Multikulturalität bei Manga gerade, weil sie eben so unterschiedliche Haarfarben haben, aber lustigerweise doch alle nur japanisch sprechen. Ein Großteil der Universalität finden wir jedoch eher auf der Bildebene.

Wie schon eingangs erwähnt arbeiten Manga mehr mit Bildern als mit Texten und Sprache. So wie bei Manga werden Figuren sehr vereinfacht dargestellt, sehr ikonisch und viele Symbole werden verwendet, die jedoch länderübergreifend verstanden werden können, was ein großer Pluspunkt ist. Die Bildersprache und vor allem die verstärkte Emotionalität vor allem durch Gestik und Mimik der Figuren in japanischen Comics führen dazu, dass sie universell verstanden werden können. Die Bilder sprechen teilweise sehr für sich selbst und sie gehen einfach direkt ins Herz. Ein Aspekt der eben auch wichtig ist, dass vor allem Manga sehr stark auf Emotionalität und Dramatik bemüht sind, wie es in westlichen Comics weniger der Fall ist. Hier dominieren vor allem die Handlungen und Ergebnisse, nicht die Reaktionen, Gefühle und die Atmosphäre.

Zurück zu der Mimik der Figuren. Obwohl Mangafiguren viel einfacher gezeichnet sind, nur aus wenigen Strichen bestehen, vermitteln sie doch einen starken emotionalen Eindruck auf uns. Mit nur wenigen Strichen erkennen wir sofort, wie die Figuren sich fühlen. Es gibt eine enorme Bandbreite an verschiedenen Gestiken und Mimiken, die man ohne Worte verstehen kann und auch für die einzelnen Emotionen gibt es eine Vielzahl an unterschiedlichen Umsetzungen.
Typisch für Manga sind auch die Super Deformed Gestalten oder die Chibis, die die Niedlichkeit an die Spitze treiben, aber auch für sehr viel Unterhaltung sorgen


Balance zwischen Dramatik und Komik

Wo wir auch schon beim letzten Punkt wären, die Balance zwischen Dramatik und Komik. Manga weisen doch einen sehr eigensinnigen Humor auf, den sogenannten Manzai-Humor, über den ich bereits geschrieben habe. Darüber hinaus legen die japanischen Comics auch sehr viel Wert auf Emotionalität, was manche für konstruierte Dramatik halten würden. Es wird übertrieben wo es nur geht, nur damit Emotionen erzeugt werden. Das geschieht meist durch übertriebene Gestik und Mimik, wo wir wieder bei der universellen Bildsprache wären. Auch die Hintergründe in Manga sind immer ein Spiegel der Seele der Figuren und verstärken die Dramatik umso mehr. Demgegenüber stehen dann wiederum auch Übertreibungen in die andere Richtung, eben wenn Figuren verzerrt und verkleinert gezeigt werden, was einen komischen Effekt hat. Man mag davon halten was man will, aber Manga schaffen es einerseits immer wieder für lustige Momente zu sorgen, dann aber auch wieder schnell auf die emotionale Schiene zu fahren, was beides durch die bildtechnischen Mittel geschieht.


Schlussendlich wurde aus dem Beitrag ein ziemlich langer, ich hoffe, er hat euch einige neue Erkenntnisse gebracht. An dieser Stelle möchte ich euch fragen, was ihr von meinen vorgestellten Aspekten haltet. Stimmt ihr denen zu oder eher nicht? Ist euch etwas bekannt oder habt ihr etwas neu dazu gelernt? Fallen euch eventuell andere Aspekte ein, auf die ich nicht eingegangen bin? Habt ihr euch überhaupt mal gefragt, warum Manga so beliebt sind? Vorschläge, Ideen und Verbesserungen sind erlaubt und ich freue mich auf eure Antworten.





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