Sonntag, 23. März 2014

Review: Haibane Renmei


Story:

Ein Traum, in dem man vom Himmel fällt und anschließend das Licht der Welt erblickt. Die Protagonistin Rakka schlüpft eines Tages aus einem großen Kokon in Old Home und wird von einer Gruppe von Mädchen und Frauen mit kleinen Flügeln an deren Rücken und Heiligenscheinen über deren Köpfen begrüßt. Bald erhält auch Rakka ihre eigenen Flügel sowie ihren Heiligenschein und muss sich fortan Arbeit in der nächstliegenden Stadt von Grie suchen. Sie ist eine Haibane, kein Mensch, aber auch kein Engel, deren Existenz und alles drumherum bis zum Schluss noch schleiferhaft bleiben soll. Bald schon erkennt sie, dass die gesamte Welt, in der sie lebt, von einer Mauer umgeben ist, die niemand außer die mysteriösen Toga hinter lassen können...

Der Grundgedanke hinter Haibane Renmei hat mich dazu veranlasst in diese wundersame Welt einzutauchen. Denn nicht alle Tage hört man von engelsgleichen Wesen, die eher den Menschen als den gottähnlichen Geschöpfen ähneln und die in einer geheimnisvollen Welt mit ihrem eigenem Schicksal hadern und nach ihrem Lebenssinn suchen. Genau darum geht es schließlich auch in diesem Anime. Von Anfang an wird eine mysteriöse Atmosphäre aufgebaut, allein schon dadurch, dass wir den Traum von Rakka, wie diese vom Himmel herab fällt, mitverfolgen können. Wir beginnen uns selbst sehr viele Fragen zu stellen. Was hat es mit den Träumen, die die Haibane vor ihrer „Geburt“ haben, auf sich? Es erhärtet sich einfach der Eindruck, dass dahinter eine tiefere Bedeutung stecken muss. Denn diese Träume sind die einzigen Erinnerungen, die die Haibane in ihr neues Leben mitnehmen. Deswegen werden sie auch immer nach ihnen benannt. Jegliche andere Erinnerungen an ein anderes Leben bleibt ihnen verwährt. Dennoch halte ich und viele andere Rezipienten auch daran fest, dass die Haibane bereits ein anderes Leben gelebt haben müssen. Es spricht einfach so vieles im Anime dafür. Weiterhin habe ich mich wie Rakka gefragt, was die Haibane überhaupt sind. Sie können auf keinen Fall wirklich Menschen sein. Man könnte sie dem Aussehen entsprechend mit Engel vergleichen und doch haben sie so viel Menschlichkeit, dass dies auch nicht zutreffen kann. Für mich sind Engel eher erhabene, mysteriöse Wesen, die von Gott gesandt werden. Wer oder was die Haibane sind, konnte ich bis heute nie ganz ergründen, genauso wenig, woher sie kommen und warum sie überhaupt existieren. Die Geschichte wartet aber auch noch mit anderen Geheimnissen u.a. die Stadt selbst mit ihren Mauern, die mysteriösen Toga, der Tag des Abflugs usw. Die Handlung bietet auf jeden Fall genug Material zum Selbstnachdenken, was ich sehr wert schätze.


Jedoch muss ich sagen, dass mich nicht alles bei der Umsetzung der Inhalte überzeugt hat. Das liegt nämlich daran, dass die Handlung erst mal grob in zwei Abschnitte unterteilt werden kann. Im ersten Abschnitt wird man die geheimnisvolle Welt der Haibane Renmei eingeführt, wobei einem vieles aus dem Alltag selbst vertraut ist. Das Leben in Old Home wird als ziemlich idyllisch dargestellt, ein bisschen zu idyllisch wenn ihr mich fragt. Vom Anfang bis zum Ende wirkt die Geschichte eher slice-of-life-mäßig, was an sich nicht weiter schlimm ist. Ich habe ja nichts gegen das Genre an sich. Aber ich muss sagen, dass es einfach zu friedlich war, sich alles anzuschauen, ohne wirkliche Konflikte oder Sonstiges, was für mich dann doch eher einen langweiligen Eindruck machte. War ja nett, dass man einen ausführlichen Einblick in diese eigene Welt erhalten hat, aber es hat sich für mich eher unschön gestreckt, das hätte man durchaus etwas verkürzen können. Wahrscheinlich wollte man gerade damit bezwecken, dass Old Home und alles was sich innerhalb der Mauern befand, als paradiesisch empfunden wurde, um später eben die Schattenseiten aufzuzeigen. Ich muss aber dazu sagen, dass es nicht vollends langweilig war, da immer eine kleine Tendenz geheimnisvoller Aura mitschwang, eben aber nicht zu sehr.

Richtig interessant wurde es leider erst ab der Hälfte des recht kurzen Animes. Denn die Geschichte entfaltet nur in einem langsamen Tempo ihr wirkliches Potenzial. Sie nimmt sich Zeit um dafür umso eindrucksvollere Momente zu erschaffen, die einem so schnell nicht mehr aus dem Kopf gehen.
Und hier warne ich schon einmal vor, es wird nämlich richtig tragisch und deprimierend zugleich. Besonders das Ende enthält eine gehörige Portion Melancholie und eine depressive Atmosphäre, was ich aber gelungen fand. Die zweite Hälfte stellte für mich den Gegenpart zur idyllischen Stimmung im ersten Teil dar, wirkte dadurch noch extremer und hat eben die manchmal aufkommende Langeweile wieder ausgeglichen. In der zweiten Hälfte werden endlich auch einmal mehr Fragen beantwortet und wir blicken hinter die Fassade der schönen, glücklichen Welt der Haibane und erkennen nun, worum es wirklich geht. Hier werden recht philosophische Fragestellungen berührt u.a. warum existieren wir? Was ist der Sinn unseres Lebens? Weiterhin wird als zentrales Thema Schuld und Sühne behandelt. Neben den philosophischen Themen werden aber besonders auch religiöse Elemente angesprochen wie Vergebung, Erlösung, Marter, Glaube usw. Man merkt schon bereits mit der Anspielung an Engel, dass das gesamte Setting sehr an das Christentum angelegt ist.

Meine Theorie zur Klärung der Existenz der Haibane ist folgende:
Die Haibane waren ursprünglich ganz normale Menschen, die aber durch tragische Art und Weise aus dem Leben geschieden sind (z.B. durch Suizid). Irgendwie müssen einige der verfluchten Haibane besondere Schuld auf sich geladen haben, die sie im Laufe ihrer Existenz als Haibane einsehen und wieder gut machen müssen. Deswegen müssen sich die Haibane ja auch Arbeit suchen, um dem Wohle der Menschen zu dienen und für ihre Sünden zu büßen. Wahrscheinlich ist das alles eine Art der Charakterentwicklung, die eigenen Sünden sich einzugestehen und im Ausgleich dafür Gutes zu tun. Wenn sie nämlich ihre Aufgaben so gut machen wie es verlangt wird, erhalten sie ihre Erlösung und verabschieden sich von ihrem Dasein als Haibane. Das wäre demnach also der Tag des Abflugs, wenn eine Haibane sich endlich von ihren Sünden loslöst, keine Angst mehr hat und in Frieden ruhen kann. Und die Haibane die eben nicht die aschgrauen Flügel haben, sind diejenigen, die besonders sündhaft in ihrem vorherigen Leben gewesen sein müssen. Sie haben es besonders schwer, da bei ihnen die Wahrscheinlichkeit, dass ihnen vergeben und sie erlöst werden, sehr gering ist, aber eben nicht unmöglich. Ich fand in dem Zusammenhang ganz interessant, dass ein Sündiger, der sich selbst seine Sünden eingesteht, kein Sündiger mehr ist. Wenn man also seine Sünden einsieht, kann man erlöst werden. So ähnlich ist es ja auch, wenn jemand Reue zeigt, kann ihm vergeben werden.
Das nennt man dann „Circle of Sin“. Ein letzter Erklärungsversuch soll den Träumen der Haibane zu kommen. In den Träumen werden die Sünden der Haibane verarbeitet und dient ihnen somit als Anknüpfungspunkt für ihr weiteres Dasein. Sie sollen sich durch ihre Träume an ihre Sünden erinnern und an ihnen arbeiten. Wie im echten Leben dienen Träume schließlich auch zur Verarbeitung von Konflikten oder schlimmen Erlebnissen nicht wahr?

Das wäre nur eine möglich Interpretation, insgesamt lässt die Geschichte sehr viel Deutungsfreiraum, da auch keine expliziten Antworten gegeben werden. Und gerade das liebe ich eben an solchen Animes, dass sie einem immer und immer wieder zum Nachdenken anregen. Und doch habe ich für einige Mysterien in dem Anime keine wirklichen Antworten gefunden, wodurch die Geschichte nach wie vor eine geheimnisvolle Anziehungskraft besitzt. Nicht zuletzt werden auch einige schöne Botschaften fürs Leben vermittelt. Eine wäre, dass jemand der Schlechtes getan hat, immer eine zweite Chance erhalten kann und nicht für immer verdammt ist.



Charaktere:

Für mich war der Cast an Charakteren überschaubar, jedoch hat man sich nicht die Mühe gegeben auf jede Figur wirklich einzugehen. Während Rakka und Reki als die zwei Hauptfiguren wirklich Tiefe erhalten, waren die anderen restlichen Figuren für mich zwar sympathisch aber doch recht archetypisch. 
Besonders Reki war für mich ein sehr interessanter Charakter. Anfangs hielt ich sie für eine sorgenvolle Mutterfigur, die einerseits manchmal recht kühl und einzelgängerisch wirkte, aber doch ein sehr großes Herz für diejenigen zeigte, die sie gern hatte. Später stellte sich heraus, dass sie eben doch so einige düstere Geheimnisse hatte und mit ihrem eigenen Schicksal haderte und das eben nie wirklich anderen zeigte. Rakka dagegen ist das naive Sonnenscheinchen, was aber eher ihre Gefühle offenbart und auch immer sehr viel leidet. Sie ist immer so besorgt und hilfsbereit gewesen. Ich fand beide Charaktere einfach nur schön und habe sie sehr lieb gewonnen.


Zeichenstil: 

Das Optische des Animes hat mir sehr zugesagt und hat auch gut zur Thematik des Animes gepasst. Mich hat der Anime aufgrund seiner blasseren Farben an Aquarell-Malerei erinnert. Die Hintergründe haben wirkliche Details vermisst und doch hat das gerade zum Setting gepasst. Die Figuren sehen aus wie aus einem selbst gemalten Bilderbuch. Der Anime bediente sich eher wärmeren, besonders ausgeprägt Erdfarben, die noch einmal mehr das Harmonische des Animes unterstrichen. Das Charakterdesign kannte ich bereits aus Lain und hatte ebenso etwas Besonderes, was man nicht überall findet.

Musik:

Die Musik war diesmal wirklich einwandfrei und selbst die Backgroundmusik ist mir aufgefallen und klang einfach super in meinen Ohren. Sie hat immer perfekt zur jeweiligen Stimmung gepasst und diese noch authentischer rüber gebracht. Meist zeichnet sich die Backgroundmusik durch ruhige und doch herzzerreißende Klänge aus, die einen echt zum Weinen bringen können. Auch das Opening und das Ending haben eine verträumte Atmosphäre aufgebaut und das Ganze schön abgerundet. Immer wenn ich mir die Musik von Haibane Renmei anhöre, muss ich an die Tragik hinter der Geschichte und den Figuren zurück denken und krieg ganz feuchte Augen.


Unterhaltungswert:

Wie bereits gesagt fand ich die erste Hälfte des Animes eher schleppend und langweilig. Und zwar bis zu dem Punkt, dass ich die Serie beinahe gedropped hätte. Aber in meinem Inneren hatte sich einfach das Bestreben entwickelt, weiter zu schauen, da ich die ganzen Geheimnisse aufdeckten wollte und ich schon bereits ahnte, dass viel Potenzial in dem Anime lag. Ich bin wirklich froh, dass ich durchgehalten habe und wurde ja dann mit der zweiten besseren Hälfte des Animes belohnt. Ab hier wurde alles viel interessanter, aber eben auch sehr viel ernster und trauriger. Erst hier entfaltet der Anime sein wirkliches Potenzial und kann einen emotional und geistig gut fesseln. Die Stimmung schlägt fast schlagartig um und somit auch meine Aufmerksamkeit. Ich konnte mich wirklich gut in die zwei Hauptfiguren hinein versetzen und dementsprechend habe ich auch ihre Leiden miterleben dürfen. Hinzu kommt, dass ich von Natur aus sehr nah am Wasser gebaut bin und versank dadurch vollkommen in dieser Melancholie, die der Anime so gut ausstrahlte. Selten habe ich so viel wirkliche Tragik in einem Anime mitfühlen dürfen und bin wirklich begeistert gewesen. Der Anime konnte mich tief in meinem Herzen sehr berühren, hat mich zum Nachdenken angeregt und selbst nachdem ich den Anime abgeschlossen hatte, wollte ich weiter philosophieren und habe im Internet weiter recherchiert.



Fazit:

Haibane Renmei ist ein Geheimtipp für all diejenigen, die anspruchsvolle, tragische Geschichten mögen und gerne philosophieren. Jedoch warne ich vor einem Überschuss an Melancholie und vor der etwas langweiligen ersten Hälfte des Animes. Wer sich aber auf den Anime einlässt, wird nicht enttäuscht werden.  

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